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Erfahrungspädagogik
-eine Einführung in das Konzept des Instituts für Gestalt und Erfahrung
von Franz Mittermair
Obwohl jeder weiß, daß Lernen durch Erfahrung sehr effektiv ist, gibt es noch
keine ausgewiesene "Erfahrungspädagogik". Deshalb gebe ich in aller Kürze
einen Einblick in unsere Konzeption.
Eine erste Grundlage ist, daß die Lernprozesse generell auf Erfahrung ausgelegt sind, das
heißt auf integriertes Erleben. Erfahrungslernen geht weit über kognitive Lernprozesse
hinaus und ermöglicht in manchen Bereichen wie in der Persönlichkeitsentwicklung erst
wirksame Lernschritte. Dies, weil es sich an alle Ebenen des Menschen, an Körper,
Gefühle, Intellekt und das Unbewußte wendet. Nebenbei fördert es auch die Integration
der Person. Anders als oft in der Erlebnispädagogik steht nicht das Erlebnis im
Mittelpunkt. Es hat sicherlich seinen eigen Wert, wichtiger aber ist es als Medium für
den gezielten Lernprozess sowie die Verarbeitung des Erlebten in Erfahrung.
Eine weitere Grundlage der Erfahrungspädagogik besteht darin, sich auf die wesentlichsten
Lernprozesse im Verlauf der persönlichen Entwicklung zu konzentrieren. Dazu gehören
unter anderem:
| Der Mensch ist nicht Opfer seiner Umstände, sondern er gestaltet sein Umfeld zum
größten Teil selbst. Dies geschieht hauptsächlich unbewußt. Er kann und muß die
Verantwortung für sein Erleben und Leben übernehmen. Dies macht ihn frei. |
| Der Mensch ist weitgehend durch Programme und Glaubenssätze (Introjekte) aus der
Kindheit geprägt. Er folgt ihnen meist unbewußt. Er kann und muß diese unbewußten
Prägungen durch bewußte Entscheidungen ersetzen, um sein ganzes Potential zu
verwirklichen. |
| Die "dunklen Seiten" der Person sind ebenso wichtig wie die hellen,
bewußten. In ihnen ist generell das verborgen, was zur Integration der Person und zur
Entwicklung ihres vollen Potentials fehlt. Es kann entgiftet und nutzbar gemacht werden. |
| Die Wahrnehmung anderer Menschen und damit auch die Beziehung zu ihnen ist
weitgehend durch Projektionen geprägt. Sich dieser bewußt zu werden stärkt die
Eigenverantwortung und verbessert den Kontakt. |
| Gruppen können sehr unterstützend, heilsam und produktiv sein. Voraussetzung
sind offene Kommunikation und die Beachtung gruppendynamischer Gesetzmäßigkeiten. Wie
die Gruppe auf den Einzelnen reagiert hängt mehr vom Einzelnen als von der Gruppe ab. |
Es gibt noch viele weitere wichtige Ziele, individuelle wie soziale und die oben
genannten sind sehr allgemein gefaßt.
Lernprozesse in Richtung dieser Ziele sind nicht einfach zu erreichen. Wir
benötigen klare Pläne und gute Methoden.
Eine schier unerschöpfliche Quelle bieten die Mythen der Menschheit. In ihnen
wurden die zentralen Themen der persönlichen Entwicklung in zahllosen Variationen
beschrieben. Ihr Kern bildet den Basisplan unserer Arbeit.
So beschreibt der Monomythos der Heldenreise, Kern der unzähligen Heldenreise-Mythen von
Gilgamesch oder Inanna über Jason zu Moses oder Jesus, wie ganzheitliche
Veränderungsprozesse im Menschen ablaufen. Ihm zu folgen befähigt dazu, mehr und mehr
die Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Da dies unser wichtigstes Ziel
darstellt, ist die Heldenreise unser zentraler Mythos.
Die Grundlage dafür, das Unbewußte und dessen Figuren, die "Archetypen" zu
verstehen, haben vor allem C.G. Jung und seine Schüler geschaffen. Die Weisheit der
Mythen, ergänzt durch Erkenntnisse der Jungschen Psychologie ergeben die Grundstruktur
der Lernprozesse in unserer Erfahrungspädagogik.
Eine wesentliche Rolle spielen auch Gestalttherapie und Gestaltpädagogik. Ihr
Menschenbild deckt sich weitgehend mit unserem. Und hier wurde hervorragendes
Handwerkszeug entwickelt, um Menschen im Prozeß der Bewußtwerdung und der Entwicklung
zur Kontaktfähigkeit zu begleiten.
Darüber hinaus benötigen wir Methoden und Techniken aus vielen Bereichen, um effektive
Lernprozesse zu erschaffen: Körperarbeit und Tanz, Rollenspiel und Inszenierungen,
gelenkte Imaginationen und Trancearbeit, kreative Techniken wie Malen und Maskenbau,
Methoden aus der Gruppendynamik und kognitive Techniken.
Ziele und Methoden werden in unserer Arbeit geplant. Die Entwicklungsschritte sind jedoch
nicht determiniert und lassen Raum für das Individuum und für eigenständige
Gruppenprozesse. Grundsätzlich sind alle Lernprozesse so angelegt, daß sie in Richtung
Eigenverantwortung und Entfaltung des Potentials wirken. Wie diese Selbstbestimmung
wahrgenommen wird und wie das Potential konkret bei jedem Einzelnen aussieht, bleibt
offen. Jeder Einzelne geht seinen Entwicklungsweg in höchst individueller Weise.
Erfahrungspädagogen sind letztlich Reiseführer.
Sie kennen sich im Terrain der persönlichen Entwicklung aus. Sie wissen, welchen Weg die
Heldinnen und Helden gehen müssen, um ihre Belohnung zu finden. Sie gestalten eine
virtuelle Landschaft (oder suchen eine geeignete reale Landschaft aus), zeigen den Weg,
wenn sich einmal jemand verirrt hat, geben Unterstützung im Sinne von Hilfe zur
Selbsthilfe und geleiten zurück. Gehen muß jeder selbst. Auch die Hindernisse muß jeder
selbst überwinden. So ist auch die Belohnung (der Lernfortschritt, die neu geborene
Fähigkeit oder Freiheit) selbst verdient und wirklich gewonnen.
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